Migration(en) in Mitteleuropa. Literatur, Geschichte, Politik und Gedächtnis - JMM661
Ringvorlesung des Lehrstuhls für Deutsche und Österreichische Studien und des Instituts für germanische Studien
Montag, nám. Jana Palacha 2, Raum Nr. 201 6.10. 18:20-19:50
Manfred Weinberg: Was heißt und zu welchem Ende liest man Migrantenliteratur
Die Vorlesung richtet sich gegen eine bloß biographische Rückrechnung der ‚Migrantenliteratur‘ und unternimmt - im Ausgriff auf Modellierungen eines ‚kulturellen Gedächtnisses‘ - den Versuch, eine immanente Poetik solcher
Literatur zu formulieren, die im Übersetzen von Kulturen ineinander liegt. Überprüft wird diese These an Libuše
Moníkovás zweitem Roman Pavane für eine verstorbene Infantin und ihren Essays.
Lektüre: Manfred Weinberg, "Migrantenliteratur - eine Bestandsaufnahme Am Beispiel von Libuše Moníkovás
‘Pavane für eine verstorbene Infantin’", in: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 2 (2012), Heft 2, 93-111; evtl.
Libuše Moníková, Pavane für eine verstorbene Infantin. Roman. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1988
(Erstausgabe: Berlin 1983: Rotbuch).
Michal Dimitrov: Worum geht es in der Integrationsdebatte eigentlich? Migration und Integration zwischen Theorie und Praxis
Kaum ein anderes Thema hat in Europa heute so viel Brisanz wie Migration und Integration von Zuwanderern.
Dabei wird von politischen Entscheidungsträgern mit soziologischen Grundbegriffen wie Integration, Assimilierung oder Multikulturalismus - sei es gewollt oder ungewollt - sehr vage und unpräzis umgegangen. Im migrationspolitischen Diskurs wird häufig über Parallelgesellschaften, Multikultur, Werten und Normen gesprochen - diese Begriffe werden aber kaum näher definiert. Dadurch entsteht eine Lücke zwischen theoretischen Konzepten von Migration und Integration einerseits und Praxis und ihrer Interpretation im politischen
Alltag anderseits. Worum geht es aber in der Integrationsdebatte eigentlich? Welche strukturelle und kulturelle
Integrationsalternativen gibt es in einer Gesellschaft und welche Integrationspolitiken werden davon in einer liberalen Demokratie abgeleitet? Zu welchen Zwischenergebnissen führen sie?
Lektüre: Ruud Koopmans, "Der Zielkonflikt von Gleichheit und Diversität. Integration von Immigranten,
Multikulturalismus und der Wohlfahrtsstaat im internationalen Vergleich", in Integration von Zuwanderern.
Erfahrungen, Konzepte, Perspektiven, hrsg. v. Stephan Luft und Peter Schimany (Bielefeld: Transcript Verlag, 2010), 55-93 13.10.
Vorlesung fällt aus 20.10. 18:00-20:00
Ota Konrád: Migration und Heimatfront. Die Erfahrung der Migration im Ersten Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg gilt als die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts". Die Phänomene, die das 20. Jahrhundert prägten, wie das Massentöten, die Verwischung der Grenze zwischen der Front und der Heimatfront, die Stärkung der Rolle des Staats usw., wurden zum ersten Mal in den Jahren 1914-1918 zur Alltagserfahrung der breiten
Schichten der Bevölkerung (nicht nur) in Mitteleuropa. Das Gleiche gilt auch für die Migration, die vor allem die
Flucht, bzw. Evakuierung vor der Front und Kriegsgefangenschaft umfasste. Der Vortrag wird dieses Phänomen kurz darstellen und der Frage nach der Bedeutung der Migration für die Gesellschaften Mitteleuropas nachgehen.
Wie hat sie die Erfahrung mit dem "Fremden", die Herausbildung einer engeren regionalen und nationalen
Identität, die für die Nachfolgestaaten von grosser Bedeutung waren, geprägt?
Lektüre: Hermann J. W. Kuprian: "Entheimatungen": Flucht und Vertreibung in der Habsburgemonarchie während des Ersten Weltkrieges und ihre Konsequenzen, in: Hermann J.W.Kuprian, Oswlad Überegger (Hg.): Der Erste
Weltkrieg im Alpenraum. Erfahrung, Deutung, Erinnerung. La Grande Guerra nell´arco alpino. Esperienze e memoria, Innsbruck 2006, S. 289-306.
Štěpán Zbytovský: Ostjudentum und Prager (deutsche) Literatur nach 1900
Um 1910 gipfelte eine Welle der Popularität des Ostjudentums in Mitteleuropa. Die Prager deutsche Literatur - nicht nur Max Brod oder Franz Kafka bezeugen es - stellte einen der Brennpunkte dieser Faszination dar. Ihren
Umständen, Motiven und v.a. literarischen Reflexen geht diese Vorlesung nach.
Lektüre: Andreas Herzog: Zum Bild des "Ostjudentums" in der "westjüdieschen" Publizistik der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. In: Kakanien Revisited,http://www.kakanien.ac.at/beitr/fallstudie/AHerzog2.pdf (29.9.2014) 27.10.
Vorlesung fällt aus 3.11. 18:20-19:50
Jaroslav Kučera: Die Zwangsaussiedlung der Deutschen aus Ostmitteleuropa nach dem Zweiten Weltkrieg als
Problem der internationalen Beziehungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts 10.11. 18:00-20:00
Milan Tvrdík: Der tschechische Anteil an der deutschen Literatur der Migranten an Beispielen von Libuše Moníková und Ota Filip
Annotation:
Die tschechischen, jüdischen und auch einige deutsche Emigranten aus Prag und der damaligen
Tschechoslowakei, die zuerst von den nationalsozialistischen Okkupanten, später von der kommunistischen
Diktatur gezwungen wurden die Stadt und das Land zu verlassen, bildeten im mächtigen Strom der
Migrationsliteraten des 20. Jahrhunderts eine besondere Gruppe, die - wie es scheint - es am leichtesten hatte, sich an den jeweils neuen Kulturkontext anzupassen. Die Juden in den USA, Israel oder England der Kriegs- und
Nachkriegsjahre, die Tschechen in dem angelsächsischen, französischen oder deutschen - Beispiel Libuše
Moníková (1945 - 1998) oder Ota Filip (* 1930) - Kulturkontext der Zeit des Kalten Krieges legen davon Zeugnis ab.
Literatur:
Klaus Schenk/Almut Todorow/Milan Tvrdík (Hrsg.): Migrationsliteratur. Schreibweisen einer interkulturellen
Moderne. Tübingen: Francke, 2004;
Ursula Knoll: Narrative der Unterbrechung: Migrationsliteratur und Narratologie
In dieser Einheit gehen wir der Frage nach, wie die durch Migration erzwungene Erfahrung von Fragmentierung und Brüchigkeit spezifische Erzählweisen hervorbringt, die sich als 'broken narratives' konzeptualisieren lassen, die narratologische Grundannahmen wie Linearität, Kausalität und Kohärenz irritieren.
Lektüre: Maria Tamboukou: 'Portraits of Moments': Visual and Textual Entanglements in Narrative Research. In:
Current Narratives 3 (2011); Ceija Stojka: Reisende auf dieser Welt. Wien 1992; Deike Wilhelm: Die Literatur von
Sinti und Roma im deutschsprachigen Raum. In: Migrationsliteratur. Eine neue deutsche Literatur? Dossier.
Heinrich Böll Stiftung 2009, S. 36-39. 17.11.
Vorlesung fällt aus 24.11. 18:20-19:50
Boris Blahak: Hus und Beneš am Eisernen Vorhang. Zwangsmigration und Neubeheimatung in Josef Martin
Bauers Zeitparallelen-Festspiel ,Der Drachenstich‘ 1.12. 18:20-19:50
Vladimír Handl: Imigration as a Security Issue in Germany and Europe 8.12. 18:20-19:50
Michal Dimitrov: Braucht "Wiener Blut mehr Mut"? Migration, Integration und Populismus in Österreich von Haider zu Strache
Seit mehr als zwei Jahrzehnten bildet das Thema Migration/Integration eine wichtige Basis für den Erfolg von populistischen Parteien und Bewegungen in Europa. Die Freiheitlichen in Österreich sind nach dem Aufstieg von
Jörg Haider zu den Bahnbrechern dieser Entwicklung geworden. Populismus ist zum Dauerbegleitungsfaktor
österreichischer Politik geworden. Mit Heinz Christian Strache an der Spitze genießt die zweite Generation des
österreichischen Populismus gerade ihre Blütezeit. Welche strukturellen Ursachen hat der Aufstieg und Erfolg von
Populismus in Österreich? Wie werden die Ängste der Wähler vor "Überfremdung" mobilisiert und welche Rolle spielt das Thema Migration/Integration in der gesamtpolitischen Strategie der FPÖ? Wo liegt die Grenze zwischen
Rechtspopulismus und Rechtsextremismus? Kann Heinz Christian Strache den Schatten von Haider überwinden und österreichischer Kanzler werden?
Lektüre: Reinhard Heinisch, "The Structure and Agency of Austrian Populism", in Danielle Albertazzi and Duncan
McDonnell, Twenty-First Century Populism. The Spectre of Western European Democracy. (New York: Palgrave
Macmillan, 2008). 67-83. ( als PDF-Datei) 15.12. 18:20-19:50
David Emler: Between Time and Space: The Memory of Migration and the Migration of Memory